Zivis berichten - "Unsere Privilegien"
- Leo
- 16. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Grüß euch, ich bin der Leopold, 20 Jahre alt, und bin seit Oktober letzten Jahres Zivildiener bei Bbanga Project. Warum? Weil ich noch nie in Afrika war, sehen wollte, wie es hier wirklich ist, und ob all das, was wir in Europa in den Nachrichten sehen oder in Dokus hören, auch tatsächlich zutrifft. Meine Conclusio nach mehreren Monaten? Vieles stimmt. Vieles trifft nicht zu. Aber eines ist sicher: Ich bin mir meiner Privilegien als österreichischer Staatsbürger heute viel bewusster als je zuvor.
Ankommen – ein Kulturschock mit offenen Armen
Mein erster Tag in Uganda war … viel. Laut, chaotisch, heiß, aber auch voller Lächeln. Ich kam mitten im sonnigen Treiben von Entebbe an, und obwohl alles neu war, habe ich mich nicht fremd gefühlt. Menschen winkten, Kinder riefen mir ein „Mzungu!“ (so nennt man hier weiße Menschen) hinterher – neugierig, nicht abwertend. Ich hatte trotzdem Angst um mein Gepäck, jedoch völlig unbegründet, wie sich herausstellte.
Schon nach den ersten Tagen merkte ich: Uganda funktioniert anders. Nicht schlechter, aber definitiv anders. Stromausfälle gehören hier zum Alltag. Fließendes Wasser ist keine Selbstverständlichkeit.

Mein Alltag bei Bbanga Project
Ich arbeite einmal wöchentlich auf einer Farm. Die Arbeit ist sehr vielfältig. Wir versorgen beispielsweise Larven, die mit den Abfällen der regionalen Palmölproduktion gefüttert werden. Aus den Resten der Palmen machen wir außerdem: Briketts zum Kochen, Besen zum Kehren und Pilze zum Essen. Es sind keine großen Heldentaten, oft eher kleine Handgriffe, aber genau darin liegt die Kraft: Das Ziel ist es, den Menschen Arbeit zu geben. Wir helfen, die Systeme dafür zu entwickeln.
Bei Besuchen in den Dörfern, die oft wie Slums aussehen, merke ich, dass Kinder hier nicht das haben, was für uns normal ist: funktionierende Schuhe, einen eigenen Schreibtisch, Zugang zu medizinischer Versorgung. Und trotzdem lachen sie, spielen und lernen. Sie sind stolz, wenn sie ein Wort auf Englisch korrekt sagen. Viele sprechen kein Englisch, weil auch ihre Eltern kein Englisch sprechen und weil sie arbeiten müssen, anstatt in die Schule zu gehen.
In diesen Momenten wird mir klar: Dankbarkeit ist keine Frage des Besitzes.

Die Begegnungen, die bleiben
Was mich besonders berührt hat, waren Gespräche mit anderen Freiwilligen und Einheimischen. Mein Zivildienstpartner Paul meinte einmal: „Ich habe noch nie so viel Herzlichkeit erlebt bei Menschen, die so wenig haben.“ Und ich muss ihm recht geben. Die Hilfsbereitschaft, das Teilen trotz des Mangels, das ist etwas, das man in Europa in dieser Form selten erlebt.
Ich erinnere mich an eine Frau, die in meiner Unterkunft arbeitet. Oft, wenn sie etwas zu essen hat, bietet sie mir etwas an, obwohl sie weiß, dass ich genug habe. Meistens lehne ich höflich ab, aber wenn es besonders lecker aussieht, probiere ich gerne. Mittlerweile hat sie auch schon mein selbstgekochtes Essen probiert. Manches schmeckt, manches eher nicht :-)

Was Uganda mir gezeigt hat
Ich habe erkannt, wie privilegiert wir in Österreich leben:
Dass ich mich darauf verlassen kann, dass der Bus fährt.
Dass ich versichert bin, wenn ich krank werde.
Dass ich ein sicheres Zuhause mit Dach habe und meine Eltern einen sicheren Job.
Dass sauberes Trinkwasser aus dem Hahn kommt und ich damit sogar dusche oder die Toilette spüle (das würde mir hier nicht in den Sinn kommen).
In Uganda ist das alles nicht selbstverständlich. Und trotzdem begegnen mir hier Menschen mit mehr Lebensfreude, als ich sie oft bei uns erlebe.
Ich will nicht romantisieren, Armut ist hart, Perspektivlosigkeit ist real. Aber ich will dankbar sein. Und ich will, dass wir uns öfter daran erinnern, wie gut es uns geht – ohne dass wir dafür jeden Tag kämpfen müssen.

Ein paar ehrliche Gedanken zum Schluss
Manche haben mich gefragt: „Hat sich der Zivildienst bis jetzt ausgezahlt?“Meine Antwort ist klar: Ja. Zu 100 %.Nicht nur, weil ich hier helfen kann, sondern weil Uganda mir mindestens genauso viel zurückgegeben hat: Lebensweisheiten, Offenheit, neue Perspektiven.
Wenn du überlegst, so einen Schritt zu wagen – tu’s. Es wird dich fordern. Es wird dich verändern. Und du wirst danach nie wieder gleich auf deine Welt blicken.